Die arbeitsrechtliche Grenze zwischen Herrenwitz und sexueller Belästigung

„Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“, sagte FDP-Frontmann Rainer Brüderle zu einer Journalistin. Sexismus oder nur ein Altherrenwitz? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die Nation sehr emotional. Wir möchten ganz unaufgeregt der Sache nachgehen, wo die Grenze zur sexuellen Belästigung verläuft.

 Was sagt das Gesetz?

Die sexuelle Belästigung ist in § 3 Abs. 4 AGG gesetzlich definiert: Es muss ein sexuell bestimmtes Verhalten vorliegen, das eine Würdeverletzung des „Opfers“ bezweckt oder bewirkt. Ausdrücklich als Beispiele werden genannt Berührungen, Bemerkungen oder Zeigen pornographischer Abbildungen. Sexuelle Belästigungen können also nach der gesetzlichen Definition sowohl tätlich („Angrapschen“), verbal als auch rein gestisch erfolgen.

Das Verhalten muss zudem unerwünscht sein. Einvernehmliche Handlungen sind keine „Belästigung“. Nach der Rechtsprechung des BAG muss die Unerwünschtheit durch eine erkennbare Ablehnung nach außen getreten sein. Alleine z.B. aus einem großen Altersunterschied des Mannes zur Frau lässt sich keine Ablehnung der Frau schließen (BAG 25.03.2004, Az. 2 AZR 341/03). Dennoch muss nicht stets aktive Gegenwehr erfolgen. Ausreichend ist – je nach Situation – auch die durch Passivität deutlich werdende Ablehnung.

 Was ist eine körperliche Belästigung?

Klare Fälle sexueller Belästigung betreffen häufig körperlichen sexuell motivierten Kontakt. Eine besondere Schwere ist hier nicht erforderlich, um von einer sexuellen Belästigung sprechen zu können. Auch der einmalige „Klaps“ auf den Po erfüllt den Tatbestand. Ebenso kann eine sexuelle Belästigung darin bestehen, dass die im kollegialen Umgang übliche minimale körperliche Distanz unterschritten wird und eine Arbeitskollegin gezielt unnötig und wiederholt angefasst wird.

 Was ist eine verbale Belästigung?

Auch verbale sexuelle Belästigungen sind häufig klar zu beurteilen. So wurde z.B. ein Möbelverkäufer gekündigt, der u.a. die Vorzüge seines Geschlechtsteils durch Vergleiche mit einem Zollstock gegenüber einer Kollegin unangebracht verdeutlicht hatte (BAG 09.06.2011, Az. 2 AZR 323/10).

In anderen Fällen ist die Grenzziehung schwieriger. Möglicherweise als Kompliment gemeinte Bemerkungen über körperliche Reize („Sie können ein Dirndl gut ausfüllen“) dürften solange nicht als sexuelle Belästigung gelten, als die Würde des Gegenübers nicht verletzt wird. Weist die Betroffene dagegen darauf hin, dass die solche „Komplimente“ nicht mehr hören möchte, ist im Wiederholungsfall von einer sexuellen Belästigung auszugehen.

Belästigung durch pornographische Darstellungen

Sexuelle Belästigungen können auch darin bestehen, dass unerwünschte E-Mails oder Filmclips mit pornographischem Inhalt versendet werden. Auch die Übergabe eines „Gutscheinhefts“ mit verschiedenen Sexualpraktiken zum „Einlösen“ an eine Arbeitskollegin stellt eine sexuelle Belästigung dar, die zur Kündigung berechtigt (ArbG Braunschweig, 16.10.2007, Az. 2 Ca 93/07).

Quelle: Haufe

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