Das Bundesarbeitsgericht hat ein Grundsatzurteil zur Lohnpfändung getroffen, das die bisherige Berechnung des pfändbaren Einkommens umstellt. Die neue Methode kann sich stark auf die Höhe des pfändbaren Betrags auswirken.
Bisher ging das BAG von der sog. Bruttomethode aus, hat aber mit BAG-Urteil vom 17.04.2013, Az. 10AZR 59/12 eine Wende vollzogen: Nach Auffassung des BAG ist bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens entgegen der bislang herrschenden Meinung die sog. Nettomethode zugrunde zu legen. Unterschiede ergeben sich vor allem dann, wenn Arbeitnehmer unpfändbare Bezüge, z. B. Urlaubsgeld oder Überstundenvergütungen, erhalten.
Unterschiede der beiden Berechnungsmethoden
Bei der bislang vorherrschenden Bruttomethode werden vom Gesamtbrutto die unpfändbaren Bezüge und außerdem noch die Sozialversicherungsbeiträge und Steuern – bezogen auf das Gesamtbrutto (einschließlich der unpfändbaren Bezüge) – abgezogen. Das bedeutet, dass die auf die unpfändbaren Bezüge entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zweimal in Abzug gebracht werden.
Bei der Nettomethode werden zunächst die unpfändbaren Bezüge vom Bruttoeinkommen abgezogen. Anschließend werden aus dem verbleibenden Betrag die Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben fiktiv ermittelt und dann abgezogen. Der Restbetrag ist das pfändbare Einkommen, aus dem der Pfändungsbetrag mithilfe der Pfändungstabelle festgestellt wird (Berechnungsbeispiele siehe unten).
Gravierende Unterschiede in der Berechnung ergeben sich bei der relativ hohen unpfändbaren Bezügen wie z. B. Urlaubsgeld oder Überstundenvergütungen. Das paradoxe Ergebnis der bisher angewendeten Bruttomethode führt dazu, dass das pfändbare Einkommen des Arbeitnehmers umso niedriger ausfällt, je höher die unpfändbaren Bezüge sind. In einer Lohnabrechnungsperiode, in der der Arbeitnehmer also deutlich mehr verdient, kann deshalb u. U. kein oder nur wenig Einkommen gepfändet werden, nur weil zusätzlich unpfändbare Bezüge angefallen sind.
Schrittweises Vorgehen bei der Lohnpfändung nach der Nettomethode
Bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens ist demnach wie folgt zu verfahren:
1. Schritt:
Zunächst ist der unpfändbare Sonderbezug mit dem Bruttobetrag vom Bruttoeinkommen abzuziehen.
2. Schritt:
Im Anschluss an den Abzug der nach § 850a ZPO unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag sind lediglich die Steuern und vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsabgaben in Abzug zu bringen, die auf das ohne die unpfändbaren Bezüge verbleibende Bruttoeinkommen zu zahlen sind. Die auf die unpfändbaren Bezüge entfallenden Steuer und Sozialversicherungsbeiträge sind also nur einmal abzuziehen. Der Drittschuldner hat bei der Anwendung der Nettomethode neben der Berechnung der auf das Gesamtbruttoeinkommen abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zusätzlich fiktiv die Steuern und Abgaben zu ermitteln, die auf das nach Abzug der unpfändbaren Bezüge verbleibende Bruttoeinkommen abzuführen wären.
3. Schritt:
Auf der Basis dieses fiktiven Arbeitseinkommens ist nun anhand der Tabelle nach § 850c ZPO der pfändbare Betrag zu ermitteln.
4. Schritt:
Anschließend wird das tatsächliche Nettoeinkommen unter Zugrundelegung der gesamten Abzüge für Steuern und SV-Beiträge ermittelt. Hiervon ist der zuvor ermittelte pfändbare Betrag abzuziehen und an den Gläubiger abzuführen. Das restliche Nettoeinkommen wird an den Arbeitnehmer ausbezahlt.